Unter der Leitung von Dr. Michael Zech trafen sich Anfang November 2025 erneut die Mitglieder des Arbeitskreises „Forum Geschichte“. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Lehrplan in diesem Fach zu weiten in Richtung einer globalen historischen Perspektive.
Schon die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe ermöglicht einen „weiten“ Blick, denn sowohl Oberstufen- als auch Klassenlehrer*innen sowie Dozent*innen und Promovierende arbeiten zeitgleich an vielen verschiedenen Projekten. Diese wurden ausführlich vorgestellt, diskutiert und auf ihre Unterrichtstauglichkeit in den Klassenstufen geprüft. Die meisten Materialien werden im kommenden Jahr erscheinen und viele neue, interessante Perspektiven auf die Geschichte der Menschen ermöglichen. So berichtete beispielsweise Karoline Kopp von ihrem ökonomischen Ansatz, Sybilla Hesse weitete den Blick auf feministische Perspektiven (Ashkenazi/ Merz/ Hesse).

Hier nun ein kleiner Einblick in den aktuellen Stand:
Geschichte exemplarisch an Einzelbeispielen zu betrachten, um dann den Blick zu erweitern auf die Welt und deren Zusammenhänge, bildet methodisch den roten Faden der Forschenden.
Was geschah im Jahr 1521? Hier als Beispiel aus den vielen Anregungen von Thomas Voß das nebenstehende Schaubild sowie der Hinweis auf einen ca. 20minütigen Film bei Arte, der diesen methodischen Ansatz auf eindrucksvolle Weise (https://youtu.be/P0o2g4qujlA?si=GzxJr1sAR9Ai2QdE) anwendet:
Während am 13.8.1521 das Aztekenreich unterging (so der Filmtitel) und Hunderttausende ermordet wurde, war nahezu zeitgleich Albrecht Dürer tief beeindruckt von einer Ausstellung aztekischer Kunst in Antwerpen. Was für eine erschütternde Koinzidenz! In der Nachbesprechung wurde deutlich, dass dieser Film erst in der Oberstufe gezeigt werden sollte, man sich jedoch der Methoden und vielen Informationen hervorragend in der Vorbereitung der Siebtklass-Epoche bedienen kann. Dabei sei z.B. diese Zeitgleichheit „Dürer in Europa/ Massaker im Aztekenreich“ als Einstieg sehr gut geeignet, um eine gefühlsmäßige Verbindung der Siebtklässler*innen mit dem Unterrichtsinhalt aufzubauen. Der Film endet mit der Darstellung der sog. „Federtänze“, die noch heute in Lateiamerika aufgeführt werden und den wunderbaren Impetus einer spirituellen Verarbeitung in sich tragen.
Auf eine Publikation zur fünften Klasse dürfen sich die Klassenlehrer:innen schon freuen (Riethmüller/ Schmelzer u.a.); sie wird voraussichtlich im Herbst 2026 erscheinen. Im Fokus steht die erste Epoche des Anfangsunterrichts in Geschichte zur Frühzeit des Menschen (Sammler und Jäger, Eiszeitkunst, fruchtbarer Halbmond, erste Städte in Mesopotamien, die ägyptische Kultur). Zu jeder dieser Themen gibt es eine wissenschaftliche Einführung, dann Vorschläge für die Umsetzung in die Unterrichtspraxis (Erzählteile, Mythen, kleine Quellentexte, Bilder, Anregungen zur Handlungsorientierung).
Auch die Oberstufe wird versorgt. Für die Geschichtsepoche der 10. Klasse erscheint ein Arbeitsbuch (Hesse/ Hüttig u.a.), das im ersten Teil „Begründungen“ (pädagogische und methodische Begründungen/ Frühgeschichte in Mittel- und Oberstufe/ Diversität und historischer Wandel/ Frühgeschichte ist Nahgeschichte/ Objektgeschichte/ Formen kulturellen Gedächtnisses), im zweiten Teil „Anregungen zur praktischen Umsetzung“ (Homo Artifex/ sesshaft werden/ urbane und theokratische Kulturen/ Diversität/ Brückenkulturen) enthalten wird und diese Epoche auf neue Weise greift.
Wie den Blick weiten? „Kulturen sind keine Container“, so Zech. Das Projekt „Das europäische Mittelalter im globalen Kontext“ (Rawson/ Zech u.a.) wird im kommmenden Jahr begonnen und soll die Grundlagen sowohl der 6. Klasse als auch der 11. Klasse betreffen. Ausgehend vom Kölner Stadtbild des 6-8. Jhd. wird bspw. der Bogen geschlagen zur Städtekultur der Maya, um im Anschluss feststzustellen, dass in dieser Zeit in Indien die Stadtkultur aufs Land verlegt wird … usw. Auf diese Weise wird das Mittelalter eingeordnet in eine globale Entwicklung, weit über die Grenzen Europas hinaus.
Im Frühjahr 2026 wird voraussichtlich „Die Geschichte Chinas“ (Hüttig/ Rawson) herausgegeben, das neben kurzen historischen Skizzen eine Menge an Quellenmaterial enthält. China heutzutage nicht nur in Klasse 12, sondern bereits viel früher zu behandeln, erschien im Übrigen allen Anwesenden als äußerst wichtig!

Ingo Christians von der Pädagischen Forschungsstelle wies nun auf die Plattform WiWa hin, die ebenfalls für einige der Publikationen geeignet sei. Die Plattform ermöglicht allen Unterrichtenden einen schnellen Zugriff auf aktuelles Material und ist gleichzeitg als Austausch-Plattform unter den Lehrenden gedacht (s. QR-Code!). Auch Podcasts und Videos sollen als mögliches Format angeboten werden. Zusätzlich stellt die Pädagogische Forschungsstelle den aktuellen Lehrplan (nicht nur für Geschichte!) zur Verfügung. Eine Registrierung erfolgt über die Schuladresse: https://www.forschung-waldorf.de/
Andrea Waldmann stellte am Ende der Tagung ihr Forschungsprojekt „Ortskunde“ vor. Diese Viertklass-Epoche, vormals „Heimatkunde“ genannt, ist die Vorstufe der ersten Geschichtsepoche in Klasse 5 – erblickt das Kind doch in seiner Umgebung überall „gewordene“ Geschichte (die Grubenlampe im Ruhrgebietskeller, das Pumpernickel im Münsterland usw.). Wie ist „mein Ort“ zu dem geworden, der er nun ist? Der Zusammenhang von Raum und Zeit, den Steiner immer wieder betont, ist hier eklatant. Entwicklungsmäßig betrachtet, werden Kinder diesen Alters neugierig auf ihre Umgebung. Da sollte nicht mehr die seelische Verbindung allein im Vordergrund stehen, sondern die Sachkunde (dies ist i.Übr. der von Steiner verwendete Begriff, nicht „Heimatkunde“!). Sie öffnet den Blick auf die Tatsache, dass wir in den Klassen immer mehr Kinder haben, die nicht am Ort der Schule geboren sind, sondern mit ganz anderen kulturellen Hintergründen am Unterricht teilnehmen.
Um auch hier den Blick zu weiten, wird nun um „best practice“- Beispiele aus vielen verschiedenen Regionen gebeten. Diese könnten z.B. auf WiWa hochgeladen werden.
Es gäbe noch so viel zu berichten! Diese Zusammenkunft war höchst inspirierend und lässt Vorfreude aufkommen auf die vielen Bücher, die die Forschungsstelle demnächst herausgeben wird, auf die neue Austausch-Plattform – und natürlich auf den Unterricht, der auf dieser Basis entstehen darf. Wir können gespannt sein!
Petra Mühlenbrock
PS: Wenn Sie neugierig geworden sind und „Lust auf mehr“ haben, können Sie am Institut für Waldorfpädagogik Witten Annen am 5./6.12. ein Seminar mit Michael Zech besuchen (https://waldorfinstitut.de/events/geschichte-6-klasse/)
Die Anmeldung erfolgt über waldmann@waldorfinstitut.de